2022BlogBeförderung zum Geschäftsführer = kein Kündigungsschutz mehr?

10. Juni 2022
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Wer viele Jahre in einem größeren Unternehmen beschäftigt ist, hat einen starken Kündigungsschutz. Das ist richtig, aber es gibt einen Karriereschritt, der diesen Schutz auf einen Streich beenden kann. Für viele Führungskräfte ist es die Krönung ihrer Laufbahn, wenn sie zum Geschäftsführer befördert werden. Dank ihrer Erfahrung im Business und wegen ihrer langen Betriebszugehörigkeit fühlen sie sich geschützt, weil eine Kündigung kaum möglich ist. Leider ist das falsch.

 

Die schlechten Nachrichten zuerst:

Wer vom Arbeitnehmer zum Geschäftsführer befördert wird, verliert sofort seinen Kündigungsschutz. Das ist in § 14 Abs. 1 Nr. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) so festgelegt. Das Gesetz macht keinen Unterschied, ob man vorher Arbeitnehmer war oder frisch als Geschäftsführer eingestellt wird. Es ist auch egal, ob man seinen alten Arbeitsvertrag behält oder einen neuen Geschäftsführer-Dienstvertrag abschließt. Solange man als Geschäftsführer bestellt ist, kann die Führungskraft sich nicht auf den Kündigungsschutz berufen.

 

Nun zu den guten Nachrichten:

Es gibt einige Konstellationen, in denen die Führungskraft ihren Kündigungsschutz behält:

Drittanstellung im Konzern
In Konzernen kann es dazu kommen, dass der Arbeitnehmer bei der Muttergesellschaft angestellt ist, aber bei einer Tochtergesellschaft zu Geschäftsführer bestellt wird. Der Anstellungsvertrag mit der Konzernmutter bleibt bestehen. Das Geschäftsführer-Amt zur Tochtergesellschaft kann relativ leicht beendet werden, aber im Verhältnis zur Muttergesellschaft bleibt der volle Kündigungsschutz bestehen.

Bei einer GmbH & Co. KG kann es wieder schwieriger werden – wenn also der Arbeitnehmer bei der KG angestellt ist, aber für die Komplementär-GmbH als Geschäftsführer arbeitet. Manche sind der Meinung, die Verbindung zwischen KG und GmbH sei so eng, dass die Führungskraft hier auch gleichzeitig als Geschäftsführer der KG tätig sei. Wir konnten jedoch vor dem Arbeitsgericht Flensburg eine positive Entscheidung für einen unserer Mandanten in genauso einer Konstellation erringen. Die Komplementär-GmbH kündigte den Geschäftsführer-Dienstvertrag. Der Arbeitnehmer konnte sich erfolgreich darauf berufen, dass sein ursprüngliches Arbeitsverhältnis mit der Kommanditgesellschaft nie beendet worden war. Die Folge: die Kommanditgesellschaft wurde verurteilt, ihn als Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen (ArbG Flensburg, Urteil vom 21. März 2018, 1 Ca 546/17).

Tipp:
Achten Sie darauf, dass Ihr Arbeitsverhältnis zur Muttergesellschaft nicht durch einen Aufhebungsvertrag oder durch eine Klausel in Ihrem neuen Dienstvertrag mit der Tochtergesellschaft aufgehoben wird!


Ruhendes Arbeitsverhältnis
Wer aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis bei derselben Gesellschaft zum Geschäftsführer befördert werden soll, sollte unbedingt verhandeln, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis nicht beendet wird, sondern allenfalls ruht und wieder auflebt, sobald das Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis beendet wird. Mit dem Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrages wird ein etwa bestehendes Arbeitsverhältnis konkludent aufgehoben (BAG 14.6.2006, 5 AZR 592/05). Das muss nicht ausdrücklich geregelt werden, es genügt, wenn der Geschäftsführer-Vertrag schriftlich abgeschlossen wird, das heißt mit Unterschrift beider Parteien auf demselben Dokument. Die Gesellschafterversammlung, die den Geschäftsführer-Vertrag abschließt, ist an sich jedoch nicht zuständig für die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses. Das wäre nur ein Geschäftsführer. Was das bedeutet ist noch nicht abschließend geklärt – es gibt dem Arbeitnehmer aber immerhin Verhandlungsmaterial an die Hand, falls die Gesellschaft sich von ihm trennen will. Wichtig zu wissen: wenn der Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht abberufen wurde, besteht leider wegen der Sperre des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KSchG kein Kündigungsschutz. Wenn der Geschäftsführer zuerst abberufen wird oder sein Amt niedergelegt hat und dann gekündigt wird, kann bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis Kündigungsschutz bestehen.

 

Fazit

Wer bei der Vertragsgestaltung schläft, erlebt ein böses Erwachen. Die Beförderung zum Geschäftsführer beendet in den meisten Fällen den Kündigungsschutz endgültig. Nur in wenigen Ausnahmefällen ist es möglich, den Kündigungsschutz zu erhalten. Hierfür sind eine geschickte Vertragsgestaltung und Verhandlungsführung nötig. Außerdem ist es wichtig, die eigenen Handlungsoptionen zu kennen, wenn sich ein Konflikt abzeichnet.