Immer dann, wenn der Arbeitgeber Änderungen an den arbeitsvertraglichen Regelungen herbeiführen möchte, muss er eine Änderungskündigung aussprechen. Denn da der Arbeitsvertrag durch eine Einigung, also die Zustimmung beider Arbeitsvertragsparteien, zustande gekommen ist, kann er nachträglich nicht einseitig Änderungen vornehmen und bestimmen. Für jede Änderung des Arbeitsvertrages wäre also die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich. Ist der Arbeitnehmer mit einer Änderung nicht einverstanden, kann der Arbeitgeber versuchen, die Änderung der Arbeitsbedingungen über eine Änderungskündigung zu erreichen.
Was ist eine Änderungskündigung?
Formal ist die Änderungskündigung eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses, verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist unter geänderten Bedingungen fortzusetzen. In dem Schreiben des Arbeitgebers kann dies beispielsweise so formuliert sein:
Sehr geehrte Frau …,
aufgrund der Umstrukturierungen in unserem Unternehmen entfällt zum 1. Juni 2022 ein Beschäftigungsbedarf für Ihre bisherige Tätigkeit. Aus diesem Grunde kündigen wir hiermit das zwischen Ihnen und uns bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich fristgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt, das ist nach unseren Berechnungen der 30. September 2022. Zugleich bieten wir Ihnen an, das Arbeitsverhältnis ab dem Folgetag, das heißt nach unserer Berechnung ab dem 1. Oktober 2022 zu den folgenden geänderten Vertragsbedingungen fortzusetzen: (…)
In aller Regel enthält die Änderungskündigung auch die Aufforderung an den Arbeitnehmer, innerhalb einer Frist von beispielsweise drei Wochen nach dem Zugang des Schreibens mitzuteilen, ob er die Änderungen der Arbeitsbedingungen akzeptiert oder nicht.
Reaktionsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer
Äußert sich der Arbeitnehmer nicht innerhalb der Frist oder lehnt er es ab, so endet das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf der Kündigungsfrist, in unserem Beispiel daher zum 30. September 2022. Nimmt er das Änderungsangebot an, muss er ab 1. Oktober 2022 zu den geänderten Arbeitsbedingungen weiterarbeiten.
Worauf der Arbeitgeber in aller Regel nicht hinweist, ist eine dritte Möglichkeit, die dem Arbeitnehmer zur Verfügung steht: Er kann die Änderungskündigung unter Vorbehalt annehmen und parallel die Wirksamkeit der Änderungskündigung vor dem Arbeitsgericht prüfen lassen. Auch hier gilt eine Frist von drei Wochen zur Klageerhebung nach dem Zugang der Änderungskündigung. Auch bei einer Ablehnung der Änderungskündigung steht der Gang vor das Arbeitsgericht offen, ist jedoch mit einem höheren Risiko verbunden. Denn kommt das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis, dass die Änderungskündigung wirksam war, ist das Arbeitsverhältnis beendet. Bei einer Annahme unter Vorbehalt wird das Arbeitsverhältnis hingegen zu den geänderten Arbeitsbedingungen fortgesetzt, wenn sich die Kündigung als wirksam herausstellt. Das Arbeitsverhältnis bleibt also bei einer Annahme unter Vorbehalt in jedem Fall bestehen. Das Gericht entscheidet nur darüber, ob man zu den alten oder den neuen Bedingungen weiterarbeitet.
Gerichtliche Überprüfung
Das Arbeitsgericht prüft, ob die vom Arbeitgeber beabsichtigten Änderungen sozial gerechtfertigt sind. Diese Prüfung erfolgt zweistufig. Es wird das „Ob“, also die Kündigungskomponente, und das „Wie“, die Änderungskomponente, überprüft.
Kündigungskomponente
Bei der Kündigungskomponente wird die soziale Rechtfertigung der Kündigung gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG geprüft. Die Änderungskündigung ist dann sozial ungerechtfertigt, wenn die vom Arbeitgeber beabsichtigten Änderungen nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Dies setzt voraus, dass das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb überhaupt oder zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist.
Änderungskomponente
Auf der zweiten Stufe prüft das Arbeitsgericht, ob das Änderungsangebot durch die Kündigungsgründe bedingt sind und sich der Arbeitgeber darauf beschränkt, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer „billigerweise“ hinnehmen muss. Unter „billigerweise“ ist zu verstehen, dass die vorgeschlagene Vertragsänderung geeignet und erforderlich sein muss, den Inhalt des bisherigen Arbeitsvertrages an die geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen.
Die angebotenen Vertragsänderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsvertrages entfernen, als es zur Erreichung des angestrebten Zwecks unter Berücksichtigung des Inhaltsschutzinteresses des Arbeitnehmers unbedingt erforderlich ist. Der Arbeitgeber muss sich also auf die mildesten Änderungen beschränken und darf nicht „nebenbei“ weitere Anpassungen vornehmen.
Gibt es beispielsweise mehrere freie Arbeitsplätze, muss der Arbeitgeber denjenigen anbieten, der dem bisherigen Arbeitsplatz des Arbeitnehmers in der Gesamtheit der Arbeitsbedingungen am nächsten kommt. Wäre in diesem Fall die Weiterbeschäftigung zu weniger einschneidenden Bedingungen möglich gewesen, ist die Änderungskündigung unwirksam.
Mehrere Änderungen der Arbeitsbedingungen
Verlangt der Arbeitgeber mehrere Änderungen an den Bedingungen des Arbeitsvertrages, so muss jede einzelne den oben genannten Kriterien für die soziale Rechtfertigung erfüllen. Hierfür trägt er die Darlegungs- und Beweislast. Er muss also nachweisen, dass er jede der Änderungen zu Recht verlangen konnte. Ist der Arbeitgeber mit nur einer „über das Ziel hinausgeschossen“, so ist die gesamte Änderungskündigung unwirksam und der Arbeitnehmer hat einen Anspruch darauf, zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterhin beschäftigt zu werden. Gute Nachricht für alle Arbeitnehmer: die meisten Arbeitgeber scheitern an dieser Hürde — sie wollen mehr ändern, als notwendig wäre. Das macht die Änderungskündigung unwirksam.