Immer mehr Unternehmen beenden bestehende Homeoffice-Regelungen und fordern ihre Mitarbeiter zur Rückkehr ins Büro auf. Zuletzt gab es diese Nachricht von Amazon in den USA, doch auch viele deutsche Unternehmen sowohl aus dem DAX wie SAP, Volkswagen, die Telekom oder die Deutsche Bank, als auch aus der Start Up-/Tech-Szene wie Hello Fresh beenden die bisher geltenden Homeoffice-Möglichkeiten. Nachdem in vielen Unternehmen eine Tätigkeit nur von zuhause aus möglich war, verlangen viele Arbeitgeber eine vollständige Rückkehr ins Büro. In machen Unternehmen werden auch 60:40-Präsenzpflichten eingeführt.
Die vermeintlichen (?) Gründe
Die von den Unternehmen vorgetragenen Gründe ähneln sich häufig, so auch die Begründung vom Amazon-Konzernchef Andy Jassy: Das gemeinsame Arbeiten sei effizienter und schweiße die Teams zusammen – wobei einige Studien das Gegenteil nahelegen: Beschäftigte sind nach eigener Einschätzung im Schnitt produktiver und zufriedener, wenn sie von zu Hause arbeiten.
Wie die Rückkehr ins Büro umgesetzt wird
Aus unserer Beratungspraxis kennen wir viele Beispiele, wie und zu welchem Zweck eine Präsenzpflicht umgesetzt wird. In Unternehmen mit Betriebsrat wird dafür zum Beispiel eine bestehende Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten oder zum Homeoffice gekündigt und eine neue Betriebsvereinbarung mit umfangreicher Pflicht zur Tätigkeit im Büro geschlossen. Die Gründe für die Zustimmung des Betriebsrates bleiben häufig unklar – gerade vor dem Hintergrund, dass die Konsequenzen erheblich sind. Sofern die Betriebsvereinbarung keine Ausnahmeregelungen vorsieht, kann dies mitunter dazu führen, dass die Pflicht zur „Rückkehr“ ins Büro auch für Mitarbeiter gilt, die nur für Remote-Tätigkeiten eingestellt wurden und in den letzten Jahren nie einen Fuß ins Büro setzen mussten – beispielsweise weil sie überhaupt nicht am Standort des Unternehmens wohnen.
Individuelle Streichung vom Homeoffice
Es gibt jedoch auch Situationen, in denen individuell für einzelne Mitarbeiter plötzlich eine Rückkehr ins Büro vorgeschrieben wird – bei größeren Unternehmen mit mehreren Standorten zufällig nicht dem angestammten und wohnortnächsten, sondern weiter entfernt. Häufig handelt es sich dann um „spezielle Projekte“, die, so der Arbeitgeber, nur vor Ort erfolgen können, weil es so „schneller und effizienter“ ginge.
Ein erster Schritt zur Trennung?
Tatsächlich stellen wir fest, dass dies ein erster, in manchen Fällen sogar ein weiterer Schritt des Arbeitgebers sein kann, um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einzuleiten. Gilt die Rückkehr ins Büro für alle, ist es aus Sicht des Unternehmens ein guter Anlass, einen größeren aber verdeckten Personalabbau durchzuführen, da für nicht wenige Mitarbeiter eine Tätigkeit im Büro faktisch nicht möglich ist. Die Hoffnung des Unternehmens: Mit der Pflicht aus einer Betriebsvereinbarung und der Unmöglichkeit der Umsetzung für Arbeitnehmer lassen sich Eigenkündigungen oder zumindest günstigere Abfindungsregelungen vereinbaren.
Nicht vorschnell einer Aufhebung zustimmen
In vielen Fällen stellt es sich jedoch nicht so einfach dar. Der Arbeitgeber muss bei Weisungen stets auch die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigen und mit seinem Interesse zur Tätigkeit im Büro abwägen. Tut er dies nicht, kann sich die Aufforderung als rechtswidrig darstellen.
Es lohnt sich also, nicht vorschnell der Aufforderung nachzukommen oder sogar einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zuzustimmen oder letztlich eine Beendigung zu verhandeln, ohne die eigene Situation geprüft und mögliche Maßnahmen besprochen und abgewogen zu haben. Gerade in solchen komplexen Situationen ist eine vertiefte arbeitsrechtliche Beratung unerlässlich.