Wenn Unternehmen keine Gewinne mehr erzielen oder gern noch mehr Gewinne erzielen möchten, greifen sie oft auf eine bewährte Methode zurück: die Restrukturierung. Dabei werden häufig Hierarchieebenen gestrafft oder entfernt und die Anforderungen an viele Positionen angepasst. Doch der heimliche Star jeder Reorganisation ist das interne Stellenbesetzungsverfahren. Dabei entzieht der Arbeitgeber faktisch allen Beschäftigten ihre bisherigen Positionen und „ermuntert“ sie, sich erneut auf ihre eigenen Stellen zu bewerben.
Da jedoch nicht genügend Positionen für alle vorhanden sind, fallen einige Mitarbeitenden durch das Raster und müssen das Unternehmen verlassen. So die Logik des Unternehmens, die von vielen Mitarbeitenden auch nur selten in Frage gestellt wird.
Stellenbesetzungsverfahren umgehen Kündigungsschutz
In vielen Fällen nutzt der Arbeitgeber dieses Vorgehen, um gesetzlichen Kündigungsschutz zu umgehen, den arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch und gleichzeitig die Würde der betroffenen Mitarbeitenden zu untergraben. Oftmals setzen Arbeitgeber darauf, dass die meisten Mitarbeitenden sich nicht wehren werden – sei es, weil sie glauben, das Vorgehen des Arbeitgebers sei rechtmäßig, oder weil sie befürchten, ihre Chancen im Bewerbungsprozess zu verschlechtern.
Damit umgeht der Arbeitgeber elegant unangenehme Herausforderungen wie betriebsbedingte Kündigungen und komplizierte Prozesse wie die Sozialauswahl. Außerdem hebelt er damit den im Arbeitsvertrag verankerten und verfassungsrechtlich garantierten Beschäftigungsanspruch der Mitarbeitenden aus. Stattdessen kann er die Abläufe hinter den Kulissen geschickt lenken, um die angebliche Spreu vom Weizen zu trennen.
Keine Verpflichtung zur Bewerbung auf eigenen Job
Tatsache ist jedoch, dass kein Mitarbeitender je verpflichtet ist, sich auf die eigene oder eine andere Stelle im Unternehmen zu bewerben, nur weil der Arbeitgeber dies verlangt oder weil restrukturiert wurde. Jeder Mitarbeitende hat Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Die Art der Beschäftigung, die zu leisten ist, ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag. Ist die Art der Tätigkeit im Vertrag nicht detailliert festgelegt, hat der Mitarbeitende dennoch Anspruch auf eine adäquate, also gleichwertige Beschäftigung. Der Maßstab dafür ist immer die zuletzt ausgeübte, einvernehmlich vereinbarte Beschäftigung.
Der Arbeitgeber darf niemandem einfach die bisherige Position entziehen und sie neu ausschreiben. Er darf sie auch nicht einfach umbenennen oder ein wenig den Zuschnitt ändern und dann so tun, als würde es sich um eine völlig neue Stelle handeln. Möchte der Arbeitgeber den Mitarbeitenden nicht länger in der bisherigen Funktion einsetzen, muss er eine gleichwertige alternative Beschäftigung anbieten. Niemand ist verpflichtet, sich auf seine bisherige oder eine andere Stelle zu bewerben, und wer sich nicht bewirbt, darf bei der Stellenbesetzung keine Nachteile erleiden. Auch eine Restrukturierung oder eine Änderung der Hierarchieebenen rechtfertigen keinen unterwertigen Job oder ein Stellenbesetzungsverfahren.
Fairness als Vorwand
Kein Arbeitgeber ist berechtigt, unter dem Deckmantel der „Fairness“ den Kündigungsschutz und den arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch zu umgehen. Genauso rechtswidrig ist es, Stellen neu zu besetzen, um eine „Frauenquote“ zu erfüllen oder aus „Gender“-Gesichtspunkten neu zu gewichten. Diese Quoten oder Gesichtspunkte hätte man bereits bei der Anstellung berücksichtigen können. Ein Rauswurf eines bestehenden Mitarbeitenden stellt demgegenüber eine Diskriminierung des betroffenen Mitarbeitenden dar. Oft wurde auch bereits bestimmten Mitarbeitenden der Job unter der Hand versprochen, und das Bewerbungsverfahren ist nur ein Feigenblatt, um die Neubesetzung zu rechtfertigen. Das ebenfalls häufig gehörte Argument, es handele sich um eine „neue Stelle“, ist in 99.9% der Fälle nur vorgeschoben.
Keine Nachteile, wenn Bewerbung „misslingt“
Doch auch wer sich an einem solchen internen Bewerbungsverfahren beteiligt, gibt damit nicht seine Rechte aus der Hand. Erhält der Mitarbeitende anschließend keinen Job oder wird in einen „Mitarbeiterpool“ versetzt, behält er seinen Anspruch auf eine vertragsgemäße, gleichwertige Beschäftigung – selbst wenn der Arbeitgeber die Stelle mittlerweile anderweitig besetzt hat. Denn jede rechtswidrige Versetzung oder Aufgabenentziehung bedeutet, dass der Mitarbeitende einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf seine bisherige Tätigkeit behält. Ein Kündigungsgrund ist ein erfolgloses Bewerbungsverfahren in keinem Fall. Im Gegenteil, wird jemand nach einem Bewerbungsverfahren gekündigt, würde es sich um eine unzulässige Austauschkündigung handeln.
Obwohl diese Strategie insbesondere gern von Banken angewendet wird, ist sie nicht auf eine spezifische Branche beschränkt. In unterschiedlichen Ausprägungen findet sich das Täuschungsmanöver Stellenbesetzung in allen Branchen wieder.
Sollen auch Sie sich auf Ihre eigene Stelle bewerben oder an einem internen Stellenbesetzungsverfahren teilnehmen, obwohl Sie bereits einen Arbeitsvertrag haben? Wir beraten und unterstützen Sie gern: präzise, auf den Punkt und effektiv: mail@rvk.law